(Un)populärer Sport diskutiert über Indianer-Symbolik

 

von Hannah Wolff

Ein Aktivist demonstriert gegen den Namen und das Logo des American Football Teams aus Washington D.C.© Fibonacci Blue / flickr.com

Ein Aktivist demonstriert gegen den Namen und das Logo des American Football Teams aus Washington D.C.

© Fibonacci Blue / flickr.com


Rassismus wird aktuell nicht nur im unpopulären Sport diskutiert. Auch populäre Sportarten führen kontroverse Diskussionen. Die Formel1 ist zu nennen, der Fußball sowieso, aber das wohl eindrücklichste Beispiel ist in der US-Sportliga NFL zu finden. Das Footballteam der Washington Redskins (im Folgenden R*dskins geschrieben) prüft derzeit seinen Namen zu ändern. Denn bei den Spielen des Teams, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich nicht nur Fans sondern auch Demonstrant*innen einfinden. 

R*dskins bedeutet Rothäute und ist eine abwertender Bezeichnung für die Ureinwohner Amerikas. Nach jahrelanger Forderung zur Umbenennung des Clubs durch eine große Anzahl von indigenen Nationen und Bürgerrechtsorganisationen, scheint es nun so weit. Schon zu nächsten Saison soll der Club unter neuem Namen antreten

Eine 2020 veröffentlichte Studie der renommierten Universität UC Berkeley kam zu dem Schluss, dass 67 Prozent der amerikanischen Ureinwohner, die regelmäßig in indigener Kultur partizipieren, den Namen als beleidigend empfinden. Um einen anschaulichen Vergleich zu bemühen: In der deutschen Politik ließe sich mit einer solch hohen Prozentzahl im Bundestag das Grundgesetz ändern. Im Zuge des Black Lives Matter Bewegung ist, nicht nur aufgrund dieser Studie, der Druck auf den Footballclub aus Washington größer geworden. Nun fordern auch namhafte Sponsoren, wie FedEx und Nike, die Umbenennung. 

Indigene Maskottchen gibt es auch im deutschen Sport

“Ich bin weder Kostüm, noch Maskottchen”.© Fibonacci Blue / flickr.com

“Ich bin weder Kostüm, noch Maskottchen”.

© Fibonacci Blue / flickr.com

Hat das Ganze denn auch für Deutschland Relevanz? Ja, indigene Rechte sind nicht nur in den USA ein Thema. Auch in Deutschland müssen wir uns die Frage stellen, wie wir indigene Menschen darstellen. Jedes Jahr entmenschlichen Karnevalist*innen indigene Völker, indem sie diese als lustige Verkleidung betrachten. Sogenannte Indianer-Hobbyisten haben sogar ein ganzjähriges Hobby daraus gemacht und treffen sich regelmäßig, um die Lebensweise von nordamerikanischen Völkern um die Jahrhundertwende nachzuspielen. 

Dabei sind sie im Gegensatz zu den Karnevalist*innen zwar detailorientiert, romantisieren die Umstände jedoch maßlos. Die Fantasie von naturverbunden Urvölkern lässt keinen Platz für das Grauen des Genozids, der zu diesem Zeitpunkt an indigenen Menschen verübt wurde und der bis heute ihre Lebensrealität prägt. Außerdem trägt beides dazu bei, diese Menschen als ausgestorbene Völker zu betrachten und ihnen somit jede Menschlichkeit abzusprechen.

“Und was hat das mit unpopulären Sport zu tun?”, magst du dich jetzt fragen. Ziemlich viel sogar. Denn auch der deutsche Sport verwendet indigene Symbolik, die der Nutzung der Washington R*dskins nur in der Verbreitung nachsteht. Insbesondere in der unpopulären Sportart Lacrosse ist das der Fall. Lacrosse ist eine ursprünglich indigene Sportart, die sich aus den Spielen der verschiedener Stämme, wie der Onondaga, der Mohawk, der Ojibwe und der Choctaw, in Nordamerika entwickelt hat. 

Da lag nichts näher als für die Teams, die ab den 90er-Jahren in Deutschland gegründet wurden, indigene Symbolik und Namen zu verwenden. Und so gibt es in der deutschen Lacrosselandschaft die Dresden Braves, die Münster Mohawks und im Männerlacrosse die Erlangen Tribesmen, sowie im Pendant der Frauen die Erlangen Squaws (im Folgenden Squ*ws geschrieben). Braves ist dabei eine Bezeichnung, die für indigene Kämpfer im 19. Jahrhundert verwendet wurde. Die Mohawks sind ein indigener Stamm, der eine ursprüngliche Variante von Lacrosse gespielt hat. Und Tribesmen heißt soviel wie Stammesmänner, während Squ*ws einen abwertenden Begriff für indigene Frauen Nordamerikas darstellt. 

Deutsche Lacrosseteams gehen erste Schritte

Doch auch in der deutschen Lacrosselandschaft setzt ein Umdenken ein. Einige Teams gehen mit gutem Beispiel voran und überdenken die Verwendung indigener Namen und Logos. Bereits im Herbst 2019 haben die Münster Mohawks eine vereinsinterne Debatte angestoßen, nachdem sie die Problematik ihres Logos erkannt haben. Es begann dort ein Umdenken. Münsters Pressewärtin Susanna Becker erzählt: “Wir haben erkannt, dass die Darstellung des Mohawks in unserem alten Logo nicht mehr zeitgemäß und korrekt ist. Schon letztes Jahr hatten wir einen Diskussionsabend zu dem Thema, wo wir mehrheitlich für eine Logoänderung abgestimmt haben.” Das neue Logo befindet sich momentan in der Finalisierung. “Es soll den Fokus auf den Sport und unsere Stadt lenken, ohne alte Stereotypen der Ursprungskultur zu bedienen.” Der Name “Mohawks” soll aber bleiben.

Auch das Team aus Erlangen hat bereits eine vereinsinterne Diskussion begonnen. Das Damenteam läuft schon länger nicht mehr unter dem Namen “Squ*ws” auf. Spielertrainerin Anja Gruber erzählt, wie es dazu kam: “Wir sind in den letzten drei Jahren immer wieder auf unseren Namen angesprochen worden und wurden gefragt, ob wir wüssten, was das bedeutet.” Die Damen haben sich dann beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie den Namen nicht länger tragen wollen. 

“Wir distanzieren uns inzwischen klar von dem Namen und treten nur nach als TB Erlangen oder Erlangen Lacrosse an. Da wir allerdings gerade erst neue Trikot angeschafft haben, muss unser Logo, welches aus drei Federn besteht, erstmal bleiben.” Auf Facebook nutzt das Team aus Erlangen allerdings auch ein anderes Logo. Hier ist jeweils ein stereotypisierter indigener Mann und eine stereotypisierte indigene Frau abgebildet. 

Sebastian Esche aus dem Herrenteam der Erlangener erklärt: “Die Änderung des Logos ist weiter in Diskussion. Das ist eine gerechtfertigte und zeitgemäße Debatte.” Er sieht jedoch auch, dass dieser Prozess Zeit braucht. “Wir müssen im Team für das Thema sensibilisieren. Die Meinungen gehen weit auseinander. Einige haben direkt neue Vorschläge, auch für Namen, gebracht. Andere sind erst mal in die Defensive gegangen.” Sie sind von der Brisanz des Themas noch nicht überzeugt. Ihre Argumente gehen laut Esche in die Richtung, dass der Name doch den Ursprung des Sports ehrt. 

Stereotypen im Sport bleiben ein Problem 

Auf dem T-Shirt ist das besagte Logo der Washington R*dskins.© Fibonacci Blue / flickr.com

Auf dem T-Shirt ist das besagte Logo der Washington R*dskins.

© Fibonacci Blue / flickr.com

Auch in Nordamerika sind bei Weitem nicht alle Sportler*innen von dem Thema überzeugt. Das Footballteam aus der US-Hauptstadt ist nämlich kein Einzelfall. In den USA wird Sport häufig mit indigenen Menschen in Verbindung gebracht, obwohl die Sportarten keinerlei indigenen Ursprung haben. Professionelle Sportteams, wie die “Washington R*dskins” im Football, aber auch die “Atlanta Braves” und die “Cleveland Indians” im Baseball nutzen seit Jahrzehnten indigene Symbole und Namen als Marke. Daneben gibt es eine Vielzahl an Universitäten und High Schools, die diesem Weg folgen. 

Mit Beginn der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre kamen auch erste Proteste gegen die Nutzung indigener Namen und Symbole im Sport auf. Mit Beharrlichkeit erreichten die Aktivisten in den letzten 50 Jahren die Abschaffung von zwei Dritteln der indigenen Teamnamen und Maskottchen. Nichtsdestotrotz verbleiben in den USA und Kanada bis heute über 1.000 Teams mit solchen Namen und Symbolen. Insbesondere große professionelle Teams weigern sich den Protesten Gehör zu schenken. 

Es ist mehr als nur ein Wort

Aber es geht nicht nur um das eine Wort. Die Filmemacher und Mitglieder des Standing Rock Sioux Tribe, Kenn und John Little, haben der Kontroverse 2017 einen ganzen Film gewidmet. In “More Than a Word” lassen sie Aktivist*innen zu Wort kommen, die am Beispiel des Football Teams aus Washington erklären, warum Namen, Logos und einhergehenden Fan-Traditionen der indigenen Bevölkerung schaden. 

Die Namensgebung und Symbolik im Sport ist einerseits schmerzhaft, weil sie beleidigend ist, aber sie hat auch darüber hinaus echte Auswirkungen auf die Lebensumstände der amerikanischen Ureinwohner. Jahrzehntelang fuhr die amerikanische Regierung Programme, die es zum Ziel hatten, indigenen Stämmen all ihre Traditionen zu entziehen. So wurden Kinder aus ihren Familien gerissen und in Internate gesteckt, in denen jede Form indigener Kultur verboten war. Die traditionell langen Haare der Jungen wurden abgeschnitten und alle Tänze und Rituale verboten. Dadurch ist viel Tradition verloren gegangen. An diese Stelle tritt nun, nicht zuletzt durch Sportteams, ein neues euro-amerikanisch geprägtes Bild vom “indgen-sein”. 

Das Bild ist nicht nur unauthentisch, sondern dient letztendlich lediglich der gemeinsamen Identität von weißen Amerikanern. Dazu stereotypisiert es “den indigenen Menschen” zu einem wilden, mutigen Krieger, der keinen Schmerz empfindet. Die Professoren C. Richard King und Charles Fruehling Springwood schreiben in ihrem Buch “Team Spirits”, es führe dazu, dass “die Ureinwohner Amerikas entmenschlicht und dämonisiert werden und es schränkt die Fähigkeit der nicht-indigenen Gemeinschaft ein, sich auf indigene Menschen als zeitgenössische, bedeutende und wirkliche menschliche Akteure zu beziehen”. Dabei ist es auch heute noch wichtig, dass das Wohlbefinden indigener Menschen zum Gesprächsthema in der amerikanischen Gesellschaft wird. 

Wie Schwarze sind indigene Menschen eine Gruppe, die historisch strukturell diskriminiert wurde und weiterhin wird. Mit über 25 Prozent herrscht unter den Ureinwohner*innen Amerikas die höchste Armutsrate aller Bevölkerungsgruppen. Verglichen damit lebt “nur” 10 Prozent der weißen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebenserwartung von indigenen Menschen liegt mit 76,9 Jahren zwei Jahre unter der weißen Bevölkerung. Außerdem liegt zum Beispiel die Müttersterblichkeit bei indigenen Frauen 4,5 höher als bei Weißen. Auch die Selbstmordrate ist unter den Ureinwohner*innen stark erhöht, insbesondere unter Jugendlichen. Sie bringen sich zwei bis dreimal öfter um als der nationale Durchschnitt. 

Hinzu kommt ein Umweltrassismus. So werden Erdölleitungen, wie die Keystone Pipeline, so verlegt, dass sie die Trinkwasserqualität von amerikanischen Ureinwohner*innen auf Reservationen beeinflussen. Im Fall der Dakota Access Pipeline wird mit dem Bau sogar das Landrecht der Standing Rock Lakota verletzt, auf das sich die US-amerikanische Regierung und die Lakota im 19. Jahrhundert in Verträgen geeinigt haben. 

In der amerikanischen Gesellschaft und Politik fanden diese Probleme lange Zeit kaum Gehör. Dass indigenen Menschen, auch durch die Darstellung als Maskottchen, eher als Karikatur oder ausgestorbenes Volk gesehen werden, denn als echte Menschen, dürfte diese Tatsache weiter unterstützen. 

Eine positive Entwicklung braucht Zeit und Verständnis

Die Abschaffung des rassistischen Namens der Washington R*dskins und der einhergehenden Symbole wäre ein wichtiger Sieg für indigene Aktivist*innen. Sie könnte eine neue Welle von Umbenennungen hervorrufen. Und auch in Deutschland können wir etwas gegen die Entmenschlichung der indigenen Bevölkerung Nordamerikas tun, indem auch Sportteams hier die Nutzung von indigenen Namen und indigener Symbolik hinterfragen. 

Doch das braucht Zeit. In den USA wird die Diskussion seit den 60er Jahren geführt. In Deutschland ist sie erst dieses Jahr wirklich entfacht. Für viele Menschen sind die Gedanken neu. Sie brauchen Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das ist in Ordnung. Aber, sie sind jetzt auch in der Verantwortung, eben dies zu tun. Dann besteht die Hoffnung, dass es in Zukunft in Deutschland eine Sportlandschaft gibt, die ohne die Stereotypisierung der amerikanischen Ureinwohner*innen auskommt. 

 

Anmerkung: Im Anschluss an die MUS Recherche hat das Erlangener Lacrosseteam beschlossen, sich von dem Logo mit “typisch indigenen Köpfen” zu verabschieden. Laut Sebastian Esche haben sie erkannt, dass sie mit ihrem bisherigen Logo dazu beitragen, die indigene Bevölkerung Nordamerikas als ausgestorbene Völker darzustellen. Auf den Online-Präsenzen des Teams findet sich bereits das Zweitlogo, welches keinen Bezug zur indigenen Kultur hat.

Anmerkung: Eine erste Version dieses Artikels schrieb, dass die Münster Mohawks vom Deutschen Lacrosse Verband (DLaxV) auf die Problematik ihres Namens und Logos aufmerksam gemacht wurden. Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist vereinsintern entstanden und wurde vereinsintern geführt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

 

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