Millionen Menschen spielen Kin-Ball - nur nicht in Deutschland

 

von Hannah Wolff

Québec: Heimat des Kin-Ball (Foto: Rubén Vique)

Québec: Heimat des Kin-Ball
(Foto: Rubén Vique)


Mit drei Teams gleichzeitig auf dem Feld und einem überdimensionalen Ball, der den Spieler*innen bis zur Taille reicht, unterscheidet sich Kin-Ball nicht nur von herkömmlichen Sportarten. Auch unter den unpopulären Sportarten nimmt Kin-Ball damit eine Sonderstellung ein. 

In Deutschland gibt es derzeit lediglich etwa 100 aktive Spieler*innen. Gerade einmal acht Teams nahmen an der ersten und bisher einzigen beendeten Bundesliga-Saison 2019 teil. Doch nicht überall ist der Sport so neu und unbekannt. Weltweit spielen circa vier Millionen Menschen den Sport. Besonders im Geburtsland Kanada begeistern sich viele Menschen dafür. Hier wird Kin-Ball schon seit 1986 gespielt. 


Kooperation statt Individualismus 


Der kanadische Sportlehrer Mario Demers hat den Sport in Québec gemeinsam mit Kollegen erfunden. Als Inspiration diente in den 80er-Jahren ein Sommerfest. Demers sah dort riesige Ballons durch die Luft fliegen und hatte sofort die Idee, daraus einen Sport zu entwickeln. Innerhalb von wenigen Tagen stand das Regelgerüst. Dabei setzte der erfahrene Sportler auf Kooperation statt auf Individualismus. “Im Fußball oder Eishockey wird ein Jugendlicher, der weniger talentiert ist als andere, wahrscheinlich nie Pässe von seinen Teamkollegen erhalten", erzählt Demers. Ganz anders sieht das im Kin-Ball aus. Hier müssen alle Spieler*innen den Ball berühren, bevor ein Angriff gestartet werden kann. Damit eignet sich Kin-Ball besonders für den Schulsport. 

Der deutsche Ursprung des Sports liegt jedoch nicht an einer Schule sondern an einer Universität. Die Mitarbeiterin des Saarländischen Turnerbundes Andrea Pielen lernte Kin-Ball über kanadische Bekannte kennen und brachte den Sport mit nach Deutschland. Zunächst etablierte sie einen Hochschulkurs an der Universität des Saarlandes. Doch das reichte ihr nicht. Kin-Ball sollte wachsen. So stellte Pielen 2004 den Sport auf dem Deutschen Turnfest vor und begleitete im Folgejahr eine saarländische Delegation zu den Weltmeisterschaften in Belgien. 2008 richtete Saarlouis sogar die Europameisterschaft selbst aus. 

Seitdem ist im Kin-Ball viel passiert. Inzwischen gibt es in Deutschland immerhin zehn Vereine, die Kin-Ball anbieten und in einer Bundesliga gegeneinander antreten. International mithalten kann Deutschland jedoch noch nicht. Bei der vergangenen Weltmeisterschaft 2019 erreichen sowohl Damen als auch Herren den elften von dreizehn beziehungsweise vierzehn teilnehmenden Nationen. In Deutschland will der Sport mit dem gigantischen Ball aber weiter wachsen und sich auch international verbessern. Neben bestehenden Vereinen sind explizit auch Schulen eine Zielgruppe des deutschen Kin-Ball Verbands. 


Zielvorgabe Olympia


Auch Mario Demers hat große Ziele für seinen Sport. Er hält es nur für eine Frage der Zeit, bis Kin-Ball olympisch wird. Dafür müsste es Kin-Ball Verbände in mindestens 50 Ländern geben. Momentan sind es ungefähr 20. Der Weg ist also noch lang, aber die Sportart auch sehr jung. Die jüngst in die olympischen Spiele aufgenommene Sportart Skateboarding stammt aus den 50er Jahren und ist somit 70 Jahre alt. Wer weiß, vielleicht erleben wir 2056 mit Kin-Ball den ersten olympischen Sport, bei dem drei Teams auf dem Feld stehen.


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