Daniel MUStermann denkt nach ... und täglich grüßt der Murmelsport
Wer süchtig nach Sport ist, befindet sich seit Wochen auf kaltem Entzug. Dabei sorgt die Corona-Pandemie nicht nur dafür, dass wir unsere unpopulären Sportarten nicht mehr ausüben können. Auch die Fan-Perspektive auf populären Sport bleibt uns verschlossen. Und seien wir einmal ehrlich: Auch das trifft viele Sport-Verrückte hart. Wer schaut sich nicht mal gerne ein Fußballspiel, ein Tennis-Match oder ein Basketball-Duell an? In den vergangenen Wochen gab es nichts dergleichen zu sehen – weder im Stadion, noch am heimischen Bildschirm. Wie verzweifelt die Lage für manche Menschen ist, zeigt die Tatsache, dass die weißrussische Fußballliga plötzlich eine gigantische Aufmerksamkeit erfährt.
Doch es gibt unterhaltsamere Alternativen. Und wie so häufig ist eine solche Alternative, ihr ahnt es vielleicht schon, im Bereich des unpopulären Sports zu finden. In diesem Fall geht es um Murmelrennen. Weil Live-Sport im Fernsehen aktuell Mangelware ist, haben sich die sportinteressierten Zuschauer offenbar Youtube zugewendet. Dort schießen die Klickzahlen für Murmelrennen nämlich täglich in immer unfassbarere Höhen.
Balls of Chaos gegen Rojo Rollers
Worum geht’s? Auf Youtube haben zwei Niederländer den Murmelsport gewissermaßen professionalisiert. Sie bauen am Strand eine viele Meter lange Murmelbahn, in der die kleinen Kugeln dann gleichzeitig ins Rennen geschickt werden. Die Bahnen sind leicht abschüssig und so nehmen die Murmeln teilweise enormes Tempo auf und liefern sich packende Rennen. Alternativ werden die Helden den Murmelsports auf klassischen Kugelbahnen aus Holz oder Plastik ins Rennen geschickt. Neuerdings dienen auch Autorennkurse im Miniaturformat als Rennstrecke unter dem Namen “Marbula One”. Die Rennen werden natürlich gefilmt und mit einem professionellen Sportkommentar versehen. Manchmal wird an besonders spannenden Stellen sogar Publikumsjubel aus der Konserve eingestreut. Absurd? Durchaus. Unterhaltsam? Auf jeden Fall auch.
Durch die Tatsache, dass die bunten Kugeln in mehreren Runden gegeneinander antreten und Punkte sammeln können, entsteht der Wettkampf-Charakter. Bei einigen Rennen treten sie sogar in Teams gegeneinander an. Die Teamnamen wie “Balls of Chaos”, “Raspberry Racers” oder “Rojo Rollers” lassen erahnen, wie viel Mühe sich die Youtuber mit ihrem Sport geben. Bei den MarbleLympics (Olympische Spiele für Murmelsport) haben sie sogar ein Stadion aus Lego-Steinen gebaut, in dessen Mitte die Kugelbahn steht. Auf den Tribünen sitzen hunderte Murmeln …Wer jetzt denkt, dass diese Nischen-Sportart kein Massenpublikum erreicht, liegt falsch. Das beliebteste Video des Youtube-Kanals “Jelle’s Marble Runs” hat inzwischen 11 Millionen Aufrufe erreicht. Unpopulär ist dieser Sport nur deshalb, weil ihn in dieser Form vermutlich nur die beiden niederländischen Youtuber betreiben. Spätestens wenn Wettanbieter neben der weißrussischen Fußballliga auch den Murmelsport für sich entdecken, ist der Sport zu populär und für MUS damit nicht mehr zu gebrauchen. Doch das soll niemanden davon abhalten, an diesem Sport teilzunehmen. Man könnte sich zum Beispiel selbst eine individuelle Kugelbahn bauen. Gerade in Zeiten einer Pandemie ist das doch eine ganz wunderbare Aufgabe!
In unserer Kolumne schreiben die vier Gründungsmitglieder der MUS-Redaktion in loser Folge über Themen, die sie beschäftigen.
Wenn dir die Kolumne gefallen hat und du uns gerne unterstützen möchtest, dann kannst du das auf Patreon oder PayPal tun. Wenn du wissen willst, wofür wir deine Unterstützung brauchen, dann schau bei uns im Fanclub vorbei!