Hannah MUSterfrau denkt nach ... über Fingerboarding und andere verpasste Trends
Mit 16 Jahren habe ich mir einen Tamagotchi-Abklatsch gekauft. Ihr habt recht, da war ich definitiv zu alt für. Ob Tamagotchi-Spielen als unpopulärer Sport durchgeht, mögen andere entscheiden. Ich vermute aber, dass Tamagotchi selbst für die weiteste Definition von Sport nicht in Frage kommt. Doch zurück zu meiner Tamagotchi-Affäre. Als der Trend zu meinen Grundschulzeiten aufkam, wollten meine Eltern mir keins kaufen (Buh!). Also nutzte ich die Tatsache, dass ich im Auslandsjahr über meine gesamten Ausgaben frei selbst entscheiden konnte, und stieg etwa acht Jahre zu spät auf den Hype Train auf. Zwei Wochen lang fütterte ich brav meinen Labrador namens Pooh Bear bevor der Arme nur noch unbeachtet in der Ecke lag.
Jetzt sehe ich mich einem ähnlichen Phänomen gegenüber. Die Weiten des Internets haben mich auf einen für mich neuen Funsport aufmerksam gemacht. Und jetzt bin ich Feuer und Flamme für Fingerboarding. Dieser ist im Gegensatz zum Tamagotchi auf jeden Fall ein Sport - zumindest wenn man der Bezeichnung Funsport glaubt. Und noch dazu sicherlich unpopulär! Na, wenn das mal nichts für die MUS ist. Aber anscheinend handelt es sich für mich wieder nur um einen verpassten Trend. Denn im Gespräch mit meinen MUS-Kollegen erfahre ich, dass wohl jeder in seiner Kindheit ein Fingerboard besessen hat. Nur ich nicht! Und Sport sei das auch nicht, sondern Spielzeug!
Nun habe ich Fragen über Fragen: Wie entstehen nur solche kurzlebigen Sport-Trends? Warum mache ich sie mit? Und vor allem: Warum begeistern sie mich auch dann noch, wenn der Hype längst vorüber ist?
Hier gibt es weitere Ausgaben unserer Kolumne: MUStermann denkt nach.
Ich habe nämlich nicht alle Hypes meiner Kindheit verpasst. Zu meiner Grundschulzeit haben wohl Diddl und Gogos den Nerv der Zeit getroffen. Diesmal war ich dabei und habe sowohl Diddl-Blätter gesammelt und getauscht, als auch auf dem Schulhof um kleine Plastikfiguren gespielt. Einige Jahre später habe ich mit meinen Freundinnen Scoubidou-Schlüsselanhänger in allen Farben und Formen geknüpft. Warum das alles? Sicherlich hat der soziale Druck eine große Rolle gespielt. Was würde ich sonst machen, wenn alle ihr Diddl-Kollektion vergleichen und ihre neuesten Gogos vorstellen?
Aber als ich mir Jahre nach dem Tamagotchi Hype meinen virtuellen Labrador zulegte, konnte man nicht von sozialem Druck sprechen. Schließlich hatte niemand in meinem Umfeld mehr ein Tamagotchi. Es machte mich auch definitiv nicht cooler, dass ich jeden Tag Pooh Bear fütterte. Im Gegenteil, ich hielt das sogar lieber geheim. Geht es mir beim Nachholen der Trends vielleicht einfach um das Bedürfnis, nichts verpassen zu wollen?
Aber auch das erklärt es nicht umfassend. Denn Fingerboarden wollte ich schon, als ich noch gar nicht wusste, dass dies einen verpassten Trend darstellt. Es geht hier also weder darum, einen Trend nachzuholen, noch handelt es sich sozialen Druck. Meine MUS-Kollegen befürchteten, ob meiner Begeisterung für das Fingerboarden, sogar, die Corontäne mache mich verrückt. Ist der Hype also vielleicht auch gar nicht so sehr in einer Zeit verankert. Ist es etwa die Neuigkeit, die mich begeistert? Im Falle von Fingerboarding mag das stimmen. Es ist schon ziemlich verrückt, dass jemand auf die Idee gekommen ist, Skateboard-Tricks auf einem Miniatur-Skateboard mit den Fingern zu performen.
Ich kann meine Fragen wohl nicht abschließend beantworten. Vielleicht ist es auch einfach mein versteckter Wunsch danach eine coole Skateboarderin zu sein, der mich zum Fingerboarden treibt. An die Folge von MTV Made, in der ein schüchternes Mädchen begeistert den Skate-Lifestyle annimmt, kann ich mich auf jeden Fall bis heute noch erinnern.
Wie dem auch sei, ich besorg mir jetzt erstmal ein Fingerboard.
In unserer Kolumne schreiben die vier Gründungsmitglieder der MUS-Redaktion in loser Folge über Themen, die sie beschäftigen.
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