Fan-Legende: “Den perfekten Sport gibt es bereits”

 
Richard Turkowitsch beim Streamen eines Quidditchspiels.Quelle: https://www.facebook.com/rturkowitsch

Richard Turkowitsch beim Streamen eines Quidditchspiels.

Quelle: https://www.facebook.com/rturkowitsch


Richard Turkowitsch ist eine Quidditch-Legende ohne jemals selbst diesen Sport aktiv ausgeübt zu haben. Wie das geht? Er ist Fan der ersten Stunde. Er war auf unzähligen Turnieren, Ligaspieltagen und Meisterschaften, hat Livestreams kommentiert und seine Vienna Vanguards immer lautstark unterstützt. Wer Turkowitsch aber auf Quidditch reduziert, macht einen großen Fehler. Schließlich interessiert er sich auch für Hurling, Floorball, Wasserball, Baseball, Basketball, Eishockey, Handball, American Football, Inline-Hockey und Fußball. Im Interview erklärt er, wie er zum Quidditch gekommen ist, wie Statistiken seine Sportlücke in Corona-Zeiten gefüllt haben, warum Hurling der perfekte Sport ist und was ihn an der 5. österreichischen Fußball-Liga interessiert.



MUS: Hallo Richard, du bist in der deutschsprachigen Quidditch-Community als der erste echte Quidditch-Fan bekannt. Warum hast du selbst nie Quidditch gespielt?

Richard Turkowitsch: Ich bin Passivsportler. Meine aktiven sportlichen Betätigungen beschränken sich auf das Bewandern der zahlreichen Wiener Wanderwege und das Beschwimmen der zahlreichen Wiener Wasserwege. Meine aktive Quidditchlaufbahn hat sich auf ein Freundschaftsspiel zum Geburtstag für die Vienna Vanguards beschränkt, bei welchem ich in einem Fußballtrikot einen sehr defensiven Keeper gespielt habe.

MUS: Du bist ja neben Quidditch auch in zahlreichen anderen Sportarten als Fan aktiv. Von Fußball, Wasserball und Eishockey hört man. Gibt es noch mehr Sportarten, die dich interessieren?

Turkowitsch: Ich bin Mitglied beim FC Blau-Weiß Linz, außerdem Saisonkarteninhaber bei den Vienna Wanderers im Baseball. Aus regionalen Herkunftsgründen habe ich mein Herz außerdem an die Kansas City Chiefs im Football, den HC Orli Znojmo im Eishockey sowie den UHK Krems im Handball verloren, durch persönliche Kontakte auch noch an die Eishockeysektion des Wiener Sport-Clubs. Basketball ist eher eine Sportart bei der ich mir knappe Spiele aussuche oder die ich schau wenn grad nix anderes ist. Enge Basketballspiele sind nämlich mit das Geilste, was es im Sport gibt, aber Blowouts sind in keiner anderen Sportart annähernd so langweilig. 

“Nach anfänglicher Verwirrung bin ich dem Sport verfallen”

Turkowitsch bei der Quidditch-WM 2018 in Florenz.© Annemieke Drost

Turkowitsch bei der Quidditch-WM 2018 in Florenz.

© Annemieke Drost

MUS: Das ist tatsächlich ein abwechslungsreicher Sport-Mix. Was hast du eigentlich während des Corona-Lockdowns gemacht, als es ja überhaupt keinen Live-Sport gab?

Turkowitsch: Der Virus hat meine Freizeitpläne tatsächlich massiv durcheinander gewirbelt. Sonst verbringe ich meine Wochenenden ja wirklich durchgehend auf Sportplätzen und in Sport- und Schwimmhallen. Die freigewordene Zeit habe ich aber auf andere Art und Weise in den Sport gesteckt. Ich bin ein großer Freund der Sportgeschichte und der Sportstatistik. So habe ich mein persönliches Zuschauer*innenzahlenarchiv im österreichischen Fußball um die fünfte Ligastufe erweitert und die Ligengeschichte des österreichischen Handballs durch online verfügbare Zeitungsarchive recherchiert. Die Handball-Historie kommt dann auch auf Wikipedia, wo dieses Thema aktuell noch recht lückenhaft ist.

MUS: Wie bist du bei all diesen Sportarten überhaupt auf einen Sport wie Quidditch aufmerksam geworden?

Turkowitsch: Vermutlich so wie die meisten, die nicht unbedingt Teil des Fandoms der nicht genannten Buchreihe sind: Über einen Freund. Simon Heher, der als Seeker und Chaser nicht wegzudenkender Teil der ersten Vanguards-Generation war, hat mich monatelang immer wieder angesprochen, ich solle doch mal vorbeischauen. 2015 war er damit dann endlich erfolgreich als die Vanguards ein kleines Freundschaftsspielturnier gegen die Pressburg Phantoms aus Bratislava und die Aemona Argonauts aus Ljubljana auf der Wiener Jesuitenwiese gespielt haben. Ja, dort bin ich dann nach anfänglicher Verwirrung dem Sport verfallen.

MUS: Was war dein schönstes Erlebnis in der Quidditch Community?

Turkowitsch: Mein schönstes Erlebnis ist leider verbunden mit einer großen Ungerechtigkeit dahinter. Durch einen, nicht nur meines Erachtens, falsch gewichteten Algorithmus wurde Österreich ja 2018 ein weiteres Mitspielen im europäischen Topquidditch auf Klubebene verwehrt (kein Startplatz für Österreich im European Quidditch Cup der Division 1, Anm. d. Red.), wodurch die Vienna Vanguards 2019 in Europa nur zweitklassig mitspielen konnten. Es lag deshalb ein massiver Druck der auf dem ganzen Team, beim EQC 2019 mindestens den dritten Rang zu erreichen, damit Österreich wieder einen Platz in der ersten Division bekommen konnte. Dass genau dieser dritte Platz erreicht wurde, war eine bittersüße Genugtuung. Bitter weil es eigentlich nicht hätte notwendig sein sollen, aber massiv erleichternd sich wieder den Weg zurück erkämpft zu haben. Das war zwar definitiv der schönste Moment! Aber lieber wäre mir, er wäre nicht notwendig gewesen.

“Mein Fokus hat sich auf den lokalen Sport in Wien und Umgebung verlagert”

Turkowitsch bei einem Spiel der Vienna Vanguards im Jahr 2016.Quelle: https://www.facebook.com/ViennaVanguards/

Turkowitsch bei einem Spiel der Vienna Vanguards im Jahr 2016.

Quelle: https://www.facebook.com/ViennaVanguards/

MUS: Neuerdings schwärmst du auch von den Steelcity Snidgets. Wenn die gegen die Vanguards antreten – wem drückst du dann die Daumen?

Turkowitsch: Ich bin ja wie erwähnt auch Fußballfan und Mitglied des österreichischen Zweitligisten FC Blau-Weiß Linz (Meister von 1974), wodurch ich auch öfter in Linz zuwegen bin. Als sich dort dann die Snidgets gegründet haben, war es für mich einfach nur logisch auch sie zu unterstützen. Bei Spielen Vanguards gegen Snidgets bin ich quasi neutral, aber ich kann mir da eine gewisse Sympathie zum Underdog nicht verkneifen.

MUS: In letzter Zeit hat man das Gefühl, dass du etwas weniger in der Quidditch-Welt aktiv bist. Haben sich deine Prioritäten verändert?

Turkowitsch: Ja, haben sie. Einerseits bin ich mit meinen 33 Lebensjahren in diesem Sport ja auch einer der Älteren und außerdem ist es leider, warum auch immer, schwieriger geworden, rechtzeitige Informationen über regionale Spieltage herauszubekommen. Generell hat sich mein Fokus mehr auf den lokalen Sport in Wien und Umgebung verlagert. Den ersten Spieltag der Central Europe Quidditch League in Linz zum Beispiel habe ich mir nicht entgehen lassen.

MUS: Abgesehen von Quidditch, hast du auch schon andere unpopuläre Sportarten verfolgt?

Turkowitsch: Populär und unpopulär sind für mich ehrlich gesagt ziemlich irrelevante Kriterien beim Sport schauen. Aber ja, wenn ich mich zum Wasserball oder zum Inlinehockey verirre, sind oftmals wenig andere Zuschauer*innen dort.

“Ich bin Passivsportler”

MUS: Hast du selbst auch mal eine unpopuläre Sportart ausprobiert?

Turkowitsch: Selbst probiert nicht, ich bin wie gesagt eher Passivsportler. Hurling, eine traditionelle irische Form von Feldhockey mit wesentlich mehr Körperkontakt würde mich mal reizen, aber das hat sich leider noch nicht ergeben. Hat aber auch keine Eile.

MUS: Wir haben gehört, dass du dir jedes Jahr eine Sportart raussuchst, die du für 12 Monate intensiv verfolgst und unterstützt. Wie ist diese Idee entstanden und welche Sportart unterstützt du aktuell?

Turkowitsch: Ich verstehe wieso das manchen so vorkommen mag, wenn sie meine Social-Media-Accounts betrachten. Aber nein, ich versuche nur möglichst viel mitzunehmen, um ein bestmögliches Bild vom österreichischen Teamsport zu bekommen. Wenn mir dann eine Sportart, die ich mir zum ersten Mal ansehe so richtig gefällt, kann es schon mal sein, dass ich da reinkippe - mit Wasserball war das recht nachhaltig der Fall, ein bisschen auch mit Floorball, einer schnellen recht lockeren Hallenhockeyvariante.

MUS: Wie müsste für dich der perfekte Sport aussehen?

Turkowitsch: Es gibt ihn bereits, Hurling. Aber um auf den Sinn der Frage einzugehen: es müsste auf jeden Fall ein Teamsport sein, bei dem Scores nicht zu einfach sind und der eine wohl austarierte Mischung aus Physis und Taktik zulässt. Idealerweise natürlich für alle Geschlechter geeignet, ob durch Totalinklusion wie im Quidditch oder durch equal priority für geschlechtergetrennte Bewerbe.

 

Die Fragen stellte Daniel Knoke.


Wenn dir das Interview gefallen hat und du uns gerne unterstützen möchtest, dann kannst du das auf  Patreon  oder PayPal tun. Wenn du wissen willst, wofür wir deine Unterstützung brauchen, dann schau bei uns im  Fanclub vorbei!