Wie ein besorgter Tauchlehrer eine neue Sportart erfand
Dieser Artikel ist Teil der Reihe “Woher kommt eigentlich…?”. Dabei berichten wir von den Ursprüngen des Sports. Wenn du weitere Ausgaben lesen möchtest, klicke hier.
von Hannah Wolff
Wer denkt, dass sich Unterwasserhockey aus anderen Hockeyvarianten entwickelt hat, liegt ganz schön falsch. Die Geschichte dieses Sports ist stattdessen eng mit der Entwicklung des Gerätetauchens verbunden. Wenn du dich jetzt fragst wie es dazu gekommen ist, begib dich doch mit uns auf eine kleine Zeitreise.
Es ist 1954. Wir befinden uns in Portsmouth, England, das auch der Wasserenthusiast Alan Blake sein Zuhause nennt. Zwölf Jahre zuvor, im Jahr 1942, hat ein französischer Ingenieur und ein Marineleutnant die Aqualung entwickelt, den ersten sicheren und erfolgreichen Unterwasseratemregler. Ein großer Fortschritt für den Tauchsport, auf den der Engländer jedoch noch einige Jahre warten musste. Erst ab 1948 darf die Aqualung auch in den Commonwealth Staaten vertrieben werden und 1954 kommt sie schließlich bei Alan Blake an.
Mit Begeisterung verfolgt Alan Blake Anfang der 50er Jahre die Gründung des nationalen Tauchverbands und eröffnet 1954 eine Zweigstelle in seiner Heimatstadt, den Southsea Sub-Aqua Club Branch No 9. Ausgestattet mit der neuen Aqualung wächst die Mitgliederzahl des Clubs über den Sommer schnell an. Doch als der Winter einzusetzen droht, sorgt sich Blake um das Bestehen des Clubs. Ohne die heutigen Neoprenanzüge ist das Tauchen an der englischen Küste wahrlich kein Vergnügen. Wie viele Mitglieder würden bleiben, wenn sie monatelang nur im Pool hin und her tauchen könnten?
Einen Bericht zur Rückrunde der Deutschen Unterwasserhockey Liga findest du im Wochenrecap 07/20.
Doch Alan Blake nimmt das Schicksal nicht einfach hin. Kurzerhand erfindet er ein neues Spiel, welches die Taucher nicht nur fit, sondern vor allem bei Laune halten soll. Je acht Spieler pro Team sollen ein Bleigewicht mit kurzen Schlägern zu gegenüberliegenden Enden des Pools bewegen. In seiner Liebe zum Meer möchte der Tauchlehrer das Spiel „octopus“ (Oktopus) nennen. Das Bleigewicht soll „squid“ (Kalmar) und das Tor „cuttle“ (Tintenfisch) heißen. Aus „octopus“ wird schnell Octopush, denn das Gewicht wird mit den Schlägern geschoben (engl.: to push). Die Begriffe „squid“ und „cuttle“ können sich, anders als der Sport selbst, jedoch nicht lange halten.
Das Spiel scheint zunächst ein voller Erfolg zu sein. Der Southsea Tauchclub veranstaltet öffentliche Showspiele, um neue Mitglieder zu gewinnen und trägt den neuen Sport in weitere Zweigstellen. Doch schon bald sieht sich Blake erneut Problemen gegenüber. Sowohl Octopush als auch die Tauchclubs selbst drohen nach dem schnellen Aufstreben kurzerhand in der Versenkung zu verschwinden. Die Bademeister verbieten die Nutzung der notwendigen Ausrüstung in ihren Schwimmbädern. Nach einigen Regelanpassung kann der Tauchlehrer die Bademeister von der Sicherheit des Sports überzeugen. Der Entwicklung von Unterwasserhockey steht nichts mehr im Wege.
Von England in die weite Welt
Aber warum nennen wir den Sport nun Unterwasserhockey statt Octopush? Beide Begriffe werden tatsächlich heutzutage verwendet, aber der offizielle Begriff ist Unterwasserhockey. Nach den Erfolgen in der englischen Tauchgemeinschaft expandiert der Unterwasserschlägersport in weitere Länder. Die Regeln weichen jedoch häufig vom Original ab. 1977 arbeiten Vertreter des Vereinigten Königreichs, Italiens, der Niederlande und Südafrika an gemeinsamen Regeln und stimmen über den Namen des Sports ab. Unterwasserhockey setzt sich mit 3:1 gegen Octopush durch.
Seit der Vereinheitlichung der Regeln ist der Sport weitergewachsen. Heute wird Unterwasserhockey in über 30 Ländern gespielt. Und alle zwei Jahre finden sogar Weltmeisterschaften statt. Dabei sind die Spieler*innen von heute nicht mehr Taucher*innen auf der Suche nach einer Winterbeschäftigung, sondern brennen in erster Linie für diesen Sport.
Den Ursprung des Unterwasserhockeys erkennt man aber auch heute noch. So sind viele aktuelle Teams weiterhin Teil von Tauchclubs. Dies trifft zum Beispiel auch auf das Berliner Unterwasserhockeyteam der Sporttaucher Berlin zu, dessen Spielerin Lena Kuske bei uns zu Gast in unserem Podcast war. Was sie über den Sport zu erzählen hatte, hört ihr hier: OhrenMUS - Folge 1.