Curling: Was macht ein unpopulärer Sport bei Olympia?

 

Steine, Steine, Steine.
(Foto: Peter Miller)


Es spielen mehr Menschen in Deutschland Quidditch als Curling. Während der Deutsche Quidditchbund über 1000 Mitglieder zählt, gibt es nur 750 Personen, die in Deutschland Curling betreiben. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Anzahl der Teams. Während es in Deutschland 18 Curling-Vereine gibt, zählt der Deutsche Quidditchbund über 40 Teams. Ein Nationalteam wie im Quidditch gibt es beim Curling ebenso nicht. Es tritt einfach immer das beste Vereinsteam bei internationalen Meisterschaften als Nationalteam für Deutschland an. Was die MUS-Skala angeht (mit der wir bei MUS bestimmen, wie unpopulär ein Sport ist), so liegt Curling mit einem Score von 63 ungefähr auf einem Level mit Ultimate Frisbee (60).

Alle diese Anzeichen sprechen dafür, dass Curling ein absolut typischer unpopulärer Sport ist. Und doch sitzen alle vier Jahre Millionen Deutsche vor dem Fernseher, um sich Curling-Spiele bei Olympia anzusehen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Curling, zumindest während der Olympischen Spiele, definitiv eine populäre Sportart. Schließlich kann kein unpopulärer Sport auch nur ansatzweise ein ähnliches Publikum mit TV-Übertragungen erreichen. Die meisten MUS-Sportarten können nichtmal in einer fernen Zukunft davon träumen, olympisch zu werden.

Es stellt sich also die Frage: Wie hat Curling dieses Kunststück geschafft? Wie hat es eine durch und durch unpopuläre Sportart geschafft, in den erlesenen Kreis der Olympischen Spiele aufgenommen zu werden? Wer dieser Frage nachgeht, merkt schnell, dass Curling noch gar nicht so lange olympisch ist. Erst 1998 wurde der Eissport mit den charakteristischen Steinen und den Besen zum Wischen in das olympische Programm aufgenommen. Zwar war Curling 1924 schon bei den Spielen im französischen Chamonix mit dabei. Doch damals galt der Sport eher als Demonstrationssport. Erst viele Jahrzehnte später wurde entschieden, dass das damalige Siegerteam aus Großbritannien sich Olympiasieger nennen darf.

Tatsächlich war Curling also über 74 Jahre außen vor. Dass es dann 1998 bei den Spielen im japanischen Nagano wieder olympisch wurde, war vor allem einem Österreicher zu verdanken. Günther Hummelt schaffte es in seiner Zeit als Präsident der World Curling Federation, den Sport im olympischen Programm zu etablieren.

Was damals seine schlagenden Argumente waren, ist nicht hinreichend überliefert. Eine wesentliche Rolle dürfte aber die weitreichende Geschichte der Sportart gewesen sein. Schließlich entstand die Sportart bereits im Spätmittelalter in Schottland. Der älteste erhaltene Curling-Stein stammt aus dem Jahr 1511. Wenige Jahre später wurde Curling bereits auf Gemälden und in Gedichten abgebildet.

Richtig groß wurde der Sport aber letztlich nicht im Ursprungsland Schottland, sondern in Kanada. Dort betreiben heute rund 800.000 Menschen die Sportart. Kein anderes Land kommt auch nur ansatzweise an diese Zahl heran. Deutschland ist mit seinen 750 Aktiven schon eine der führenden Nationen in Europa.

Was die weltweite Verbreitung angeht, erinnert Curling damit an einen anderen MUS-Sport: Australian Rules Football (kurz: Footy). Auch hier ist der Sport in einem Land extrem populär und in den kompletten Rest der Welt völlig unpopulär. Doch nicht nur was das angeht, lässt sich Curling mit anderen unpopulären Sportarten vergleichen. Auch die Philosophie des Sports ist ähnlich. Wie zum Beispiel beim Roundnet oder bei Ultimate Frisbee ist Fairness eine Grundvoraussetzung, damit der Sport funktionieren kann. So müssen die Teams beim Curling selbst ansagen, wenn sie einen Stein falsch gespielt haben. Außerdem galt lange das ungeschriebene Gesetz, dass das Siegerteam den Verlieren einen Drink spendieren muss.

Mit der fortschreitenden Professionalisierung des Sports wurden solche Gepflogenheiten natürlich immer nebensächlicher. Ein Team aus Profis, das bei Olympia antritt, wird dem unterlegenen Team wohl kaum eine Runde alkoholischer Getränke spendieren. Schließlich kämpft auch Curling, wie viele andere unpopuläre Sportarten, immer noch darum, ernst genommen zu werden. So verlässlich wie die Aufmerksamkeit alle vier Jahre steigt, so verlässlich werden auch Memes oder Witze über den Sport rausgekramt, die Curling ins Lächerliche ziehen. Hier wird deutlich: Auch wenn Curling olympisch ist, hat es doch mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie so ziemlich jeder andere unpopuläre Sport.


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