Roundnet: Elo-Rating erhält Einzug in unpopuläre Sportarten
Revolution im Roundnet! Neben einer Verbesserung des aktuellen Ranking-Systems führt Roundnet Germany als erster Roundnet-Verband weltweit zusätzlich ein Elo-Rating-System ein, den Roundnet Germany Index (RGX). Das neue System verspricht erstens einen akkuraten Vergleich der individuellen Spieler*innen. Denn die Punkte werden durch jedes einzelne Spiel gewonnen oder verloren, statt durch die letztendliche Platzierung im Turnier, bei der Glück durchaus eine größere Rolle spielen kann. Zweitens handelt es sich beim RGX um ein fortlaufendes Ranking. Die Punktwerte werden also nicht zum Ende der Saison zurückgesetzt. So spielt weniger eine Rolle, wie viele Turniere jemand gespielt hat, sondern viel mehr wie gut die Person in den einzelnen Spielen abgeschnitten hat.
Ungarisch-Amerikanischer Physiker entwickelt Elo-System für Schach-Rankings
Doch was ist ein Elo-Ranking überhaupt? Der ungarisch-amerikanische Physikprofessor und passionierte Schachspieler Arpad Elo entwickelte die Elo-Zahl Ende der 1950er Jahre. Schnell beschloss zunächst die United States Chess Federation und zehn Jahre später auch der Weltschachbund die Verwendung dieses Wertungssystems. Heute ist das Elo-System im Schach weltweiter Standard.
Dabei funktioniert ein Elo-Ranking so, dass jeder Person ein Punktwert, die persönliche Elo-Zahl, zugeordnet wird. Dieser Punktwert repräsentiert ihr Können im Vergleich zum Rest des Personenpools. Je mehr Punkte, desto besser ein*e Spieler*in. Spielen zwei Personen gegeneinander, werden Punkte von der verlierenden Person zur gewinnenden Person umverteilt. Wie viele Punkte jedoch den Besitz wechseln, hängt von der Siegeswahrscheinlichkeit der Spielteilnehmenden ab. Gewinnt die Person mit der höheren Elo-Zahl und somit einer höheren Siegeswahrscheinlichkeit, kann sie nur wenige Punkte zulegen. Setzt sich jedoch der Underdog durch, wechseln mehr Punkte die Seite.
Die Welt ist voller Elo-Ratings
Schach ist zwar der Ursprung der Elo-Zahl, doch Elo-Rankings sind bei weitem nicht nur im Schach zu finden. Sie haben schnell ihren Weg zu anderen Spielen wie Go, Backgammon oder Scrabble gefunden.
Auch in athletischen Sportarten werden Elo-Rating verwendet. Nicht überraschend ist die Verwendung für den Schachteil beim Schachboxen. Aber auch der Deutsche Tischtennisbund verwendet ein Elo-System, um die Rangfolge seiner Spieler*innen zu ermitteln. Neben Individualsportarten kommt die Elo-Zahl auch bei Teamsportarten zum Einsatz. Die 2003 eingeführte FIFA-Weltrangliste der Frauen basiert auf dem System. Seit 2018 ist auch die Weltrangliste der Männer auf ein Elo-System umgestellt.
Mit E-Sport hat Arpad Elo eine weitere Sparte für sein System begeistern können. So nutze zum Beispiel League of Legends lange ein Elo-Rating, bevor die Macher*innen ihr eigenes System entwickelten. Andere Spiele wie PUBG: Battlegrounds verwenden bis heute ein klassisches Elo-System.
Auch außerhalb der Spielewelt konnten Elo-Ratings Fuß fassen. So werden sie unter anderem dazu verwendet, die Attraktivität von Menschen zu messen. Mark Zuckerberg nutze die Formel zumindest im Film “The Social Network” bekannterweise, um die Attraktivität von Studentinnen seiner Universität zu vergleichen. Die Dating-App Tinder verwendet bis heute ein Elo-System, das dazu dient Nutzer*innen potenzielle Matches gleicher Attraktivität vorzuschlagen.
Zum Start steht Chaos auf dem Programm
Ist ein Elo-Rating erst einmal eingeführt und der Großteil der Spieler*innen gerankt, funktioniert es gut. Etwas problematisch wird es, wenn Neulinge im System dazukommen. Diese werden in der Regel mit dem Durchschnittsscore bewertet. In Sportarten mit etabliertem Elo-Rating handelt es sich bei den neuen Personen meist um Anfänger*innen. Sie sind also zu stark gerankt und werden zunächst viele Spiele, auch gegen niedriger gerankte Spieler*innen verlieren. So stürzen sie im Ranking stark ab, bevor sie auf ihrem Niveau landen. Wer gegen sie antritt, profitiert und erhält für einen Sieg übermäßig viele Punkte. Da die Anzahl der Neulinge im Vergleich mit der bestehenden Anzahl an Personen im Ranking-Pool gering ist, hält sich das Problem in Grenzen.
Wenn jedoch ein System neu eingeführt wird, sind zunächst alle Teilnehmenden ungerankt beziehungsweise steigen mit einem bestimmten Wert ein, der nicht der Realität entspricht. Treten nun durchschnittliche gegen sehr starke Spieler*innen an und verlieren, müssen sie verhältnismäßig viele Punkte abgeben. Es dauert eine Weile bis das System gelernt hat und sich alle Personen im Ranking dort wiederfinden, wo sie hingehören.
Um diese Lernphase zu überspringen, werden bei der Einführung häufig die Elo-Zahlen anhand aller Spiele der vergangenen Jahre berechnet. So besteht bereits zum Startpunkt des Elo-Ratings ein realitätsnahes Ranking.
Besondere Herausforderungen machen die Einführung schwierig
Roundnet Germany steht vor zwei großen Herausforderungen. Einmal ist der Sport sehr jung. Es gibt daher vergleichsweise wenig Turniere und wenig Spiele und noch weniger Turniere, bei denen die Spielausgänge sauber dokumentiert wurden. Zum anderen hat die Corona-Pandemie die Anzahl der Spiele und die Anzahl der Aktiven im vergangenen Jahr zusätzlich verringert.
Nichtsdestotrotz hat sich Roundnet Germany entschieden, zumindest die Ergebnisse aus 2021 zur Berechnung eines Elo-Werts heranzuziehen. Zusätzlich wird das erste Turnier einer ungerankten Person in zwei Schritten berechnet. Im ersten Durchgang wird ein neues Ranking ermittelt, anhand dessen im zweiten Durchgang die Elo-Zahl-Veränderungen berechnet werden. Somit passt sich der Elo-Wert schneller der Realität an.
Eine weitere Möglichkeit das System lernfähiger zu machen, ist es den sogenannten K-Faktor hochzusetzen. Dieser Faktor gibt an, wie viele Punkte umverteilt werden, wenn ein Team gewinnt. Je mehr Punkte umverteilt werden, desto schneller entspricht das Ranking der Wirklichkeit. Der Weltschachverband macht sich die zum Beispiel zunutze, indem er einen hohen K-Faktor für die unteren und mittleren Leistungsklassen setzt, in die auch Neulinge fallen. Bei Schachmeistern, also der hohen Leistungsklasse, beträt der K-Faktor nur noch die Hälfte. Roundnet Germany macht hiervon jedoch bisher keinen Gebrauch.
Vollkommene Gerechtigkeit ist schwer zu erreichen
Anders als im Schach wird das Elo-Rating im Roundnet auf die Individualspieler*innen eines Teams angewendet. Die Punkteveränderung wird für das Team anhand der Summe der Individualpunkte berechnet und dann auf die beiden Teammitglieder verteilt. Dadurch ergibt sich eine Ungenauigkeit. Denn es ist nicht klar, welches der Teammitglieder einen größeren Beitrag zum Sieg getragen hat. Vorreiter für dieses Vorgehen finden sich jedoch unter anderem im E-Sport, wo die Teams teilweise weit größer als zwei Personen sind, und sind schon lange erfolgreich etabliert.
Die Tatsache, dass das System fortlaufend ist, wirft ein weiteres Problem auf. So behält eine Person im klassischen Elo-System ihren Punktwert auch, wenn sie lange keine Spiele absolviert. Das kann einerseits den Anreiz setzen, nicht zu spielen, um seinen Elo-Wert zu bewahren. Andererseits bleiben auch Spieler*innen an der Spitze der Tabelle, die womöglich lange nicht im Sport aktiv sind und daher auch an Niveau eingebüßt haben. Diesem Problem begegnet Roundnet Germany mit einer Inaktivitätsstrafe. Ist eine Person länger als sechs Monate inaktiv büßt sie einen Teil ihrer Punkte ein.
Auch unpopuläre Teamsportarten liebäugeln mit Team-Elo-Ratings
Mit Roundnet hat die erste unpopuläre Sportart ein Elo-Rating eingeführt. Dieses Rating wird dabei auf Ebene der Individualspieler*innen geführt. Doch es gibt auch unpopuläre Teamsportarten, die über Elo-Systeme auf Teamebene diskutieren. So wurde sowohl in der deutschen als auch der amerikanischen Quidditch-Community lange ein privates Team-Elo-Rating geführt.
Den Schritt auf die ganz große Bühne hat das Elo-Rating in den unpopulären Sportarten aber noch nicht geschafft. So nutzt der Deutsche Quidditchbund es zum Beispiel nicht, um das Seeding für Turniere vorzunehmen. Ob es im Roundnet in Zukunft gelingt, das Rating zu verwenden, um die Einteilung in Spielklassen vorzunehmen, wird sich noch zeigen. Erst dann ist klar, ob sich das Elo-Rating auch in unpopulären Sportarten durchsetzen kann.