Jugger löst sich von Filmvorlage
von Hannah Wolff
“Spielt ihr eigentlich Quidditch?” Diese Frage hören Jugger-Spieler*innen häufiger. Seltsamerweise. Denn schaut man sich Partien der beiden Sportarten an, sind wenig Parallelen zu erkennen. Die einen fechten mit Polsterwaffen, die anderen spielen mit vier Bällen und versuchen Tore zu erzielen. Taucht man jedoch tiefer in die Historie der Sportarten ein, ist eine Gemeinsamkeit ganz und gar nicht von der Hand zu weisen: Jugger entstammt wie Quidditch der fiktionalen Welt.
In den 70er Jahren schon erfand der Regisseur David Webb Peoples das Spielkonzept für einen Film. Bis dieser es auf die Leinwand schafft sollte jedoch erst noch ein Jahrzehnt vergehen. Erst 1989 kommt “Die Jugger - Kampf der Besten” mit Rutger Hauer und Joan Chen in den Hauptrollen in die Kinos. Die Dystopie spielt im 23. Jahrhundert. Nach einem Atomkrieg gibt es keine Städte mehr. Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen in Dörfern. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ziehen einige von ihnen, Jugger genannt, in Teams umher und spielen gegen andere Teams.
Im Film sind pro Team vier Spieler*innen mit Waffen ausgerüstet. Eine fünfte Person versucht den in der Mitte liegenden Hundeschädel auf den Stab des Gegners aufzuspießen. Die Länge des Spiels wird dabei in Steinen gemessen. Dafür wirft ein Unparteiischer drei Haufen à 100 Steine nacheinander gegen einen Gong.
Es waren verschiedene Live Action Role Playing (LARP) Gruppen, die das Filmspiel ins echte Leben übertrugen. Etwa zeitgleich wurden Anfang der 90er Jahre in Heidelberg, Hamburg und Berlin erst Jugger-Spiele ausgetragen. Jede Gruppe folgte dabei ihren eigenen Regeln. Hatte das Spiel zunächst vor allem einen Rollenspiel-Charakter, dauerte es doch nicht lange, bis sich das Schädelspiel zum Sport entwickelte. Bereits 1995 wird das erste sportliche Jugger-Turnier in Hamburg ausgetragen. In den folgenden Jahren glichen sich die deutschen Jugger-Regeln immer weiter an. Gleichzeitig entwickelte sich das Spiel immer weiter weg von einem Rollenspiel hin zu einem ernstzunehmenden Sport.
Heute ist der Hundeschädel, Jugg genannt, ein neutraler Spielball. An den Ursprung erinnert lediglich die längliche Form des Balls. Dieser wird in das Mal des Gegner gelegt, einen aus Schaumstoff geformten Zylinder, statt auf einen Stab aufgespießt. Statt Waffen werden Konstruktionen aus Schaumstoff verwendet, die Pompfen genannt werden. Die Spielzeit wird zwar weiter durch Steine begrenzt, allerdings werden diese nicht von einer unparteiische Person gegen einen Gong geworfen. Lange Zeit schlug stattdessen eine Person in regelmäßigem Abstand auf eine Trommel. Heute ertönt in der Regel alle 1,5 Sekunden ein elektronischer Trommelschlag. Die Gewänder der früheren LARP-Gruppen sind durch professionell anmutende Trikotsätze ausgetauscht worden. Diese unterscheiden sich nicht von Fußball- oder Handballtrikots. Auch geht nicht mehr actionreiche (Show-)Kämpfe, sondern vielmehr um Taktik und Schnelligkeit. Sowohl aus dem Film, als auch aus den LARP-Zeiten ist lediglich das Spielprinzip geblieben.
Nicht nur in Deutschland sondern auch international wächst Jugger seit den 2000er Jahren. In vielen Ländern, wie Australien, Irland und vor allem in Spanien entstehen neue Teams, die für Turniere nach Deutschland reisen. Die iberische Halbinsel entwickelte sich dabei zum wichtigsten Konkurrenten der deutschen Clubs. Bereits dreimal hat ein spanisches Team das jährlich größte deutsche Jugger-Turnier für sich entschieden.
Es bleibt also festzuhalten: Jugger wächst nicht nur in Deutschland, sondern auch international - selbst wenn kaum jemand außerhalb der Jugger-Community den ursprünglichen Film kennt. Hier unterscheidet sich Jugger dann nochmal ganz klar von Quidditch. Der Sport kann eigenständig überzeugen. Das ist eine Tatsache, die sich die ein oder die andere Quidditch-Spielerin auch für ihren Sport wünschen würde.