“Ich sage immer Elefantenkondom”

 
Das deutsche Herrennationalteam beim Aufschlag während der WM 2019 in Frankreich.© Deutscher Kin-Ball Verband

Das deutsche Herrennationalteam beim Aufschlag während der WM 2019 in Frankreich.

© Deutscher Kin-Ball Verband


Beim Kin-Ball geht es darum, einen großen aufblasbaren Ball so in das Feld zu schlagen, dass das gegnerische Team ihn nicht unter Kontrolle bringen kann, bevor der Ball den Boden berührt. Gespielt wird in Teams á vier Personen. In Deutschland gibt es nur knapp 250 aktive Spielerinnen und Spieler. Trotzdem sprangen sie furios auf den zweiten Platz unseres MUS-Sportarten-Contest. Anlass genug, um mehr über diesen Sport zu erfahren, der sich bei unseren Nachbarn in Frankreich, Belgien und Schweiz großer Beliebtheit erfreut.

Seit 14 Jahren ist Dennis Merscher treuer Kin-Ball-Spieler. Der 27-jährige Elektromeister aus dem Saarland ist aktuell Vize-Präsident des deutschen Verbands. Im Interview erklärt er uns, was der Name bedeutet, wie die Bundesliga funktioniert und was der Spielball mit einem Elefantenkondom zu tun hat.


Magazin des unpopulären Sports: Woher kommt Kin-Ball?

Dennis Merscher: Kin-Ball kommt aus Kanada. Es gab da einen Lehrer, Mario Demers, der hat die Sportart 1986 erfunden. Das Abschlussprojekt seines Studiums hatte zum Ziel, eine Aktivität zu entwickeln, welche die allgemeine Bevölkerung motivieren sollte, sich mehr zu bewegen. Dadurch entstand die Ursprungsform des Kin-Ball Spiels, welches sich über die Jahre immer weiterentwickelt hat. Dann hat er eine Firma gegründet, Omnikin, die die Sportart bis heute vermarktet.

MUS: Wofür steht das “Kin” im Namen?

Merscher: Das hat nichts mit dem Kinn zu tun. Es kommt vom griechischen “kinesis” und bedeutet “Bewegung”. Quasi “bewegender Ball”.

MUS: Die Bundesligasaison hätte am 25. April starten sollen. Wie groß ist die Enttäuschung über den verschobenen Start?

Merscher: Riesig natürlich! Wir haben aktuell noch wenige Vereine in Deutschland und sowieso nur drei Spieltage für das ganze Jahr angesetzt. Wenn dann einer rausfällt, haben wir nur noch zwei. Ob der Spieltag noch nachgeholt wird steht in den Sternen. Der nächste wäre im Juli, aber ob der stattfindet weiß man momentan auch nicht. Und die ganzen Leute nicht zu sehen, das schmerzt. Wir sind wie eine große Familie, verstehen uns alle blendend. Jetzt können wir nicht gegeneinander spielen. Das ist schon schmerzhaft.

MUS: Also gibt es noch kein neues Datum?

Merscher: Genau, wir haben den ersten Spieltag jetzt ausgesetzt. Die Veranstalter in Oberhausen müssen auch schauen, ob sie nochmal eine Hallenzeit bekommen. Das ist ja auch nicht immer so einfach. Eventuell lassen wir den Spieltag komplett ausfallen, aber das entscheiden wir zum Schluss, wenn die ganze Sache mit Corona vorbei ist.

Der offizielle Spielball der Firma OMNIKIN.© Deutscher Kin-Ball Verband

Der offizielle Spielball der Firma OMNIKIN.

© Deutscher Kin-Ball Verband

MUS: Wie verläuft eine Saison bei euch normalerweise?

Merscher: Wir sind noch ganz frisch und die Verbandsgründung ist ganz aktuell. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal die Liga gespielt. Auch da waren es drei Spieltage an unterschiedlichen Orten. Wir spielen dann immer mehrere Spiele an einem Tag, praktisch als Turniermodus, um die weit anreisenden Mannschaften auch zu beschäftigen. Wir versuchen die Spielorte immer gut zu verteilen.

MUS: Und bei einem Spieltag spielt dann jede*r gegen jede*n?

Merscher: Das Spezielle beim Kin-Ball ist ja, dass immer drei Teams gleichzeitig gegeneinander spielen. Das wird am Ende dann in einem Punktesystem zusammengefasst, dass als Ligawertung zählt. Wenn jetzt zum Beispiel München nicht nach Oberhausen fahren kann, dann sind sie zwar bei diesem Spieltag nicht dabei, werden aber trotzdem für die gesamte Saison gewertet. Wir wollen es aktuell noch so offen wie möglich halten. Da bringt es nichts, wenn wir strenge Regeln machen, dass jede*r bei jedem Spieltag dabei sein muss. Ein Team, das alle Spieltage spielt, hat aber natürlich größere Chancen Meister zu werden. 

MUS: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit man in der Bundesliga mitspielen darf?

Merscher: Es wird immer in der Kategorie “Mixed” gespielt. Das heißt, es muss mindestens ein Mann oder eine Frau auf dem Platz sein, also im Verhältnis 3:1. Das ist die Grundvoraussetzung. Das Mindestalter liegt bei 16 Jahren, aber sonst gibt es eigentlich keine Voraussetzungen. Wir sind über jede*n froh, der*die den Sport machen will.

MUS: Man muss kein eingetragener Verein sein?

Merscher: Nein, man kann auch einfach eine Gemeinschaft sein. Also wenn ihr jetzt vier Leute seid, könntet ihr mitspielen. 

MUS: Das MUS-Team hätte sogar das Verhältnis von 3:1 erfüllt.

Merscher: Ja, perfekt!

Dennis Merscher (2.v.r.) mit Mitspielern des Herrennationalteams.© Deutscher Kin-Ball Verband

Dennis Merscher (2.v.r.) mit Mitspielern des Herrennationalteams.

© Deutscher Kin-Ball Verband

MUS: Ich hab gesehen, dass auch ausländische Teams an Spieltagen teilnehmen dürfen. Wie oft kommt das vor?

Merscher: Im letzten Jahr hatten wir es nicht in der Bundesliga. Früher war das bei Turnieren aber öfter der Fall. Gerade Teams aus Belgien sind wegen der Nähe zu uns ins Saarland gekommen.

MUS: Inwiefern würde sich eine Teilnahme von ausländischen Teams auf die Ligawertung auswirken?

Merscher: Sie können mitspielen und auch das Turnier gewinnen, aber sie bekommen keine Ligapunkte. Es gibt am Ende vom Spiel Matchpunkte, die zwischen den drei Teams aufgeteilt sind. Es gibt auch Fair Play-Punkte und Periodenpunkte. Der Turniersieger bekommt am Ende 17 Ligapunkte. Das zweitplatzierte Team erhält maximal 12 Punkte. Wenn jetzt ein Team aus Belgien den Spieltag gewinnt, würde der Zweite die 17 Punkte bekommen und so weiter. 

MUS: Wie funktioniert denn die Fair Play-Wertung?

Merscher: Es gibt fünf Punkte. Sobald du ein grobes Foul begehst, dann bekommst du einen Punkt abgezogen und eine gelbe Karte. Beim zweiten Foul bekommst du zwei Punkte abgezogen. Und beim dritten Foul sind alle Punkte weg. Die braucht man aber, um am Ende ein Spiel zu gewinnen. 

MUS: Während der aktuellen Coronal-Pandemie ist Sport ja nur sehr eingeschränkt erlaubt. Trainierst du zu Hause? Hast du einen eigenen Ball? Der ist ja ziemlich groß.

Merscher: Ja, der ist riesig. (lacht) Im Prinzip ist er ganz klein. Ich sage immer “Elefantenkondom”. Das ist eine Latexblase und außen eine Hülle. Wenn man den aufpumpt hat er einen Durchmesser von 1,22m und dadurch, dass ich eh Trainer bin, habe ich immer zwei Bälle zu Hause. 

MUS: Aber kannst du dann zu Hause richtig trainieren?

Merscher: Nein, das wird nichts. Da braucht man mehr Platz für. Und draußen geht das mit dem Ball auch nicht. Sobald da ein Windstoß kommt, fliegt der weg. Der wiegt gerade knapp einen Kilo. Man braucht schon eine Sporthalle dafür, damit man das anständig trainieren kann. Also im Moment heißt es: komplett Pause. Überall in ganz Deutschland.

MUS: Wie sieht ein typisches Training aus? Was wird trainiert?

Merscher: Kraft ist natürlich wichtig. Je fester man unter den Ball schlägt, desto weiter fliegt er. Ganz klar. Man muss dazu noch flink sein, das kann man trainieren. Genauso brauchen wir aber auch welche, die etwas stämmiger sind. Die können sich vor den Ball stellen und blocken. Das ist auch eine eigene Trainingsübung. Ansonsten, wie in anderen Sportarten auch, Kraft-Ausdauer und Aufschlagsspiel. Taktiken natürlich auch, aber dann geht es meistens schon zum Spiel über. 

MUS: Kürzlich habt ihr ein Video veröffentlicht, in dem quasi ein Kin-Ball® durch ganz Deutschland geschlagen wird. Wie steht es um den Zusammenhalt der Community?

Merscher: Richtig gut! Alle waren direkt von der Videoidee begeistert. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, da sind alle Kin-Ball-Spieler*innen aus Deutschland drin. Wir versuchen da immer Kontakt zu halten. Ein Bruchteil von denen ist letztendlich im Video zu sehen, weil nicht jede*r einen Ball hat, aber alle waren hellauf begeistert.

 

Die Fragen stellte Max Martens


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